ver.diIn den letzten Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst wollten die Arbeitgeber vor allem der kommunalen Ebene entscheidende Änderungen durchsetzen: Es ging dabei um den „Arbeitsvorgang“, der wichtig für die tarifliche Eingruppierung ist.
Wir berichteten im Oktober 2020 wie folgt darüber: Der „Arbeitsvorgang“ in den Tarifverhandlungen – oder aber: Arbeitgeber wollen Axt an das Eingruppierungssystem legen und damit den Beschäftigten an das Geld!

Beim TVöD (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) des Bundes und der Kommunen und im Anschluss auch beim TV DRV KBS (Tarifvertrag für die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See) konnte dieses Ansinnen der Arbeitgeber abgewehrt werden!

Auf Ebene der Bundesländer, die sich aus der Tarifgemeinschaft mit Bund und Kommunen abgespalten haben und einen eigenen TV-L (Tarifvertrag der Länder) verhandeln, gab es jedoch dieses Ansinnen weiter. Zwar hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits im Sinne von ver.di und der Beschäftigten geurteilt, dennoch wandte sich das Land Berlin an die nächst höhere Instanz. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat jedoch die Verfassungsbeschwerde gegen die tarifvertragliche Höhergruppierung von Servicekräften eines Amtsgerichts abgelehnt!

ver.di schreibt dazu:

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum so genannten Arbeitsvorgang in den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst. Mit dem heute veröffentlichten Beschluss hat das Gericht die arbeitnehmer*innenfreundliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bestätigt. Dazu erklärte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle:
„Der Versuch der Länderarbeitgeber, Hand an das Eingruppierungssystem im öffentlichen Dienst zu legen, ist krachend gescheitert. Die Eingruppierung der Beschäftigten bleibt gesichert und Perspektiven für den beruflichen Werdegang bleiben erhalten.“

Mit Blick auf die Blockadehaltung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) ergänzte Behle:
„Die TdL muss unverzüglich an den Verhandlungstisch zurückkehren. Wir haben viele Baustellen, die bearbeitet werden müssen. Fachkräfte- und Arbeitskräftebedarf und nicht zuletzt die galoppierende Inflation fordern uns zu tarifvertraglichen Verbesserungen heraus.“

Behle betonte, dass die Entscheidung zugleich ein positives Signal für den Schutz der Tarifautonomie sei:
„Das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit schützt Arbeitnehmer*innen und Gewerkschaften vor staatlichen Eingriffen. Der Staat muss in Tarifverhandlungen nicht vor sich selbst geschützt werden.“

Die öffentlichen Arbeitgeber hätten auf fragwürdige Weise versucht, dem Staat Grundrechte anzueignen, die ihm nach dem Grundgesetz nicht zustünden. Mit Blick auf das Eingruppierungssystem hob Behle hervor, dass komplexe Tätigkeiten auch künftig im Zusammenhang bewertet und vergütet werden müssten.

„Der Tarifvertrag trägt Veränderungen in der Arbeitswelt Rechnung. Was früher mehrere Beschäftigte arbeitsteilig geleistet haben, liegt heute oft in einer Hand. Daraus ergibt sich mehr Komplexität, nicht weniger. Das muss auch angemessen vergütet werden.“

Hintergrund: Die TdL und das Land Berlin hatten Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des BAG eingelegt, nach der Tätigkeiten im öffentlichen Dienst im Gesamtzusammenhang zu bewerten seien, um daraus Eingruppierung und Entgelt ableiten zu können. Aus Arbeitgebersicht sei das BAG mit der Auslegung zu weit gegangen und habe sich selbst an die Stelle der Tarifvertragsparteien gesetzt. Darin liege ein Eingriff in die Tarifautonomie. Dieses Grundrecht stehe auch den öffentlichen Arbeitgebern zu. ver.di hatte die Auslegung durch das BAG für zulässig gehalten und mit Blick auf die Verfassungsbeschwerde keine Erfolgsaussichten gesehen. Dies wurde nun bestätigt.

Siehe auch:

ver.di-Erfolg beim Bundesverfassungsgericht zur tariflichen Eingruppierung